Tagebuch Allgäu-Orient-Rallye. Tag 19-23: Auf Abwegen in Jordanien.

von Elisa | take an adVANture
Blick auf die Wuestenstadt Petra

Jordanien. Eines der Länder, auf das ich mich besonders gefreut habe. Und eine der größten Enttäuschungen, zumindest auf zwischenmenschlicher Ebene. Mein Tagebuch der Allgäu-Orient-Rallye ist gefüllt, der Beitrag wird der vorerst letzte sein, den ich über das Abenteuer schreiben werde. Ein bisschen wehmütig bin ich dabei schon, war es doch eine der schönsten und spannendsten Reisen meines bisherigen Lebens.

Auch Monate nach der Reise durch Jordanien weiß ich noch immer nicht, wie ich einige erlebte Situationen in dem Land einschätzen soll. Wir, die vermeintlich „reichen“ Europäer, reisen mit unseren großen Autos voller „Reichtümer“ durch ein armes Land. Das und die konservativ ausgelegte Rolle der Frau im Islam führte zu einigen unangenehmen Momenten. Nichtsdestotrotz ist Jordanien ein Land, dass vor allem landschaftlich begeistert. Die Wüstengegend scheint nicht von dieser Erde.

Team BorderCross in Jordanien

Der Roadtrip durch Israel neigte sich dem Ende entgegen. Nachdem wir am zeitigen Abend die israelisch-jordanische Grenze überquert hatten, wartete ein ziemlich unerwarteter Kulturschock auf uns. Wirkte Israel modern und wohlhabend, zeigte sich uns in Jordanien ein komplett anderes Bild. Frauen waren verschleiert und eine nicht greifbare Armut fanden wir gleich auf den ersten Kilometern im neuen Land vor. Wir fuhren zusammen mit zwei weiteren Teams durch die dunklen und unbeleuchteten Straßen und ich versuchte in dem schwarzen Nichts, an dem wir vorbeisausten, etwas zu erkennen. Nachts sind ja bekanntlich alle Katze grau, deswegen blieb es eine Kulisse, die überall auf der Welt hätte stehen können. Nach einer etwas unangenehmen Situation an einer kleinen Tankstelle, bei der wir mit unseren Autos und Mädels die Aufmerksamkeit zu sehr auf uns lenkten, machten wir uns auf den Weg zum Nachtlager. Das Wüstencamp war im Dunkeln nicht so leicht finden, erst beim zweiten Anlauf und mit der Hilfe einiger Scheinwerfer trafen wir die richtige Straße. Ein großes Zelt stand mitten auf einer weiten Fläche, davor aufgebaut einige Plastiktische mit Getränken und großen Schalen voll mit Lamm, Reis und Ziegenmilch (das Nationalgericht Mansaf). Jetzt durften wir unsere gute Kinderstube vergessen und so, wie es hier gang und gäbe ist, einzig mit unserer rechten Hand essen. Normalerweise herrscht in mir bei der Ankunft in einem neuen Land eine kindliche Vorfreude und Nervosität. Aber an dem Abend habe ich mich nicht wohlgefühlt.

 

Tag 19 der Allgäu-Orient-Rallye: Lost in Amman.

Gleich am Morgen konnten wir Schulrucksäcke und weitere Sachspenden einer Gruppe Kinder überreichen. Ihre Schule, in der jordanische Kinder und syrische Flüchtlingskinder unterrichtet werden, wurde dann auch mit dem Erlös aus dem Verkauf der Autos unterstützt. Der BMW vom Team meh., der in Israel ziemlich leiden musste, wollte noch immer nicht richtig laufen, also schleppten wir ihn bis zur nächsten Werkstatt. Danach machten wir uns auf nach Amman, wo wir einige planlose Kreise in und um die jordanische Hauptstadt herum zogen.

traditionelles Zelt in JordanienAllgaeu Orient Rallye in JordanienKinder in Jordanienjordanisches Maedchen

Nach einiger Recherche im Internet sollte es südlich der Stadt einen Campingplatz geben, der sich aber nur als Picknickplatz entpuppte. Wir wurden gewarnt, hier doch besser nicht zu übernachten, also fuhren wir kurzerhand direkt ins Stadtzentrum. Nicht nur einmal steckten wir mitten im Verkehrschaos fest, ausnahmsweise waren wir aber nicht der Grund dafür. Amman war für uns alle der komplette Overkill. Spannend, laut und hektisch war es das totale Kontrastprogramm zu den verhältnismäßig ruhigen letzten Tagen.

Rallyeautos in JordanienEine Strasse auf dem weg nach AmmanFeuerwehr durch AmmanCitadel in Amman

Wir schlenderten ziellos durch die Altstadt, vorbei an vielen kleinen Läden, und schlugen unser Nachtlager auf einem Parkplatz mitten in der Stadt auf. Leider mussten wir einen kleinen Verlust erleiden, der grüne Roller, der die Motorhaube der Feuerwehr zierte, wurde während unserer Abwesenheit geklaut. Aber egal, hoffentlich macht er ein kleines Kind jetzt glücklich. Wir nutzten die Anonymität der Großstadt, duschten uns hinter unseren Autos und schliefen todmüde ein.

Gefahrene Kilometer: ca. 150km

 

Tag 20 der Allgäu-Orient-Rallye: Auf der Panoramastraße in den Touri-Bunker und mein Highlight der gesamten Rallye.

Überraschenderweise war der Morgen einer der erholsamsten seit langem. Bis zum Treffen mit den anderen Teams hatten wir noch ewig Zeit, gemütlich konnten wir unserer Morgenroutine und -hygiene nachgehen, die Bierbank aufstellen und in Ruhe zusammensitzen. Gegen 14Uhr kam dann am Rande von Amman mal wieder Festivalstimmung auf, inklusive einer kleinen Racheaktion auf das spätere Gewinnerteam.

Parkplatz in AmmanKinder sitzen auf Mauer in AmmanMenschen bekleben AutoRallyeteam in Jordanien

Start für die Tagesetappe war der Parkplatz eines Mercedes-Autohauses. Wieder einmal fuhren wir durch den aufblasbaren Torbogen, der damals in Istanbul Elmo zum Verhängnis wurde. Nach einem kurzen Tankstopp kam es zu meinem persönlichen Highlight in Jordanien und eigentlich auch während der ganzen Allgäu-Orient-Rallye. Hatte ich die Wochen vorher immer nur davon gesprochen, dass ich irgendwann auch gerne mal die Feuerwehr, einen alten Magirus Deutz, fahren möchte, wurde ich jetzt dazu „gezwungen“. Vielen Dank dafür, sonst wäre es wahrscheinlich nur bei meinem Gerede und viel heißer Luft geblieben. Da saß ich also knapp 2m über der Erde am Steuer eines 7.5 Tonners, vor mir ein Lenkrad so groß wie ein PKW-Reifen und neben mir ein Schalthebel, für den ich meine ganze körperliche Kraft brauchte. Ich warf den Motor an und unter mir dröhnten geballte 176PS. Der erste Gang war nur Zierde, angefahren wurde im zweiten und geschalten wurde nach Gehör. Einen Drehzahlmesser gab es nicht und die Geschwindigkeitsanzeige war bereits seit einigen Tausend Kilometern defekt. Die Fahrerkabine wackelte, inklusive der Tanknadel, die zwischen „fast voll“ und „fast leer“ hin und her schwankte. Und so fuhr ich los, mit schwitzigen Hände und einem breiten Grinsen, barfuß und aufgrund meiner geringen Größe kaum bis zu den Pedalen kommend. Und von nun an versaut auf Lebenszeit.

Feuerwehr als RallyeautoKameltreiber in JordanienMagirus Deutz in JordanienPeugeot Boxer in Jordanien

Auf dem Weg zum Ziel, einem Hotel am Toten Meer, konnten wir die wunderschöne Landschaft Jordaniens genießen. Dieses Mal warteten keine hunderte Kilometer auf uns. Stattdessen fanden wir eine Straße vor, die uns nicht nur einmal zum Anhalten zwang.

Gefahrene Kilometer: ca. 100km

 

Tag 21 der Allgäu-Orient-Rallye: Heiß und schmutzig mit Petra.

Der letzte offizielle Tag in Jordanien und der Rallye war angebrochen. Es stand viel auf unserem Plan, somit klingelte der Wecker bereits gegen 5.00 Uhr in der früh. Die Wüstenstadt Petra war unser Ziel für den Morgen, auf dem Weg dorthin mussten wir wieder einige Male anhalten und die Aussicht genießen. Ein Moment ist uns dabei besonders in Erinnerung geblieben. An einer kleinen Straße hielten wir neben einer Gruppe Kindern und verschenkten unsere letzten Spenden, einige Packungen Buntstifte. Das Leuchten in den kleinen Augen bei diesen simplen Geschenken und die bittere Armut, die die Jungs und Mädels umgab, versetzte uns einen Stich ins Herz. Einmal mehr wurde uns bewusst, wie gut wir es doch haben.

Kameltreiber in JordanienHaeuser in JordanienRoadtrip durch JordanienAuto in Jordanien

Die Wüstenstadt Petra ist das Highlight Jordaniens. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass wir dort eine typisch touristische Infrastruktur vorfanden, mit ausgebautem Parkplatz, Reisebussen, Verkaufsständen und definitiv keiner Einsamkeit. Petra war schmutzig, Petra war heiß und Petra war erbarmungslos. Die Sonne brannte auf meiner Haut und nur mit Mühe erklomm ich die umliegenden Berge. Wir bahnten uns unseren Weg durch die Schluchten und ich nutzte jeden kleinen Schatten für eine kurze Erholung. Fasziniert stand ich vor den alten Ruinen und versuchte mit jeder Faser meines Körpers die Momente aufzusaugen. Zumindest dann, wenn ich aufgrund der Hitze nicht gerade ums Überleben kämpfte. Leider hatte der Aufenthalt einen herben Nachgeschmack. Einige Teams wurden auf dem Parkplatz davor beklaut, bei uns blieb es bei einer etwas brenzligen Situation während der Abfahrt, die ich komplett falsch eingeschätzt hatte.

Blick auf die Wuestenstadt PetraSchatzhaus in der Ruinenstadt PetraBlick auf das Roemische Theater in der Wuestenstadt PetraSchluchten in der Ruinenstadt Petra

Wieder durfte ich fast den ganzen Tag die Feuerwehr fahren und wieder wuchs meine Liebe zu Roadtrips und großen Autos. Wir fuhren über für uns namenlose Straßen, ich überholte andere LKWs, deren Fahrer oftmals nicht ihren Augen trauten. Die Abschiedsparty der Allgäu-Orient-Rallye (mittlerweile für 2018 in Europa-Orient-Rallye umbenannt) fand in einem Wüstencamp im Wadi Rum statt. Waren wir vorher schon von der Landschaft begeistert, gab Jordanien jetzt alles. Die Aussichten, die wir damals hatten, könnt ihr euch nicht vorstellen und die Fotos geben nur annähernd das wieder, was wir damals zu Gesicht bekamen. Am Ziel angekommen wartete schon der Torbogen auf uns, wir gehörten zu den ersten Zieleinläufern und posierten für ein letztes Gruppenfoto. Danach durften wir noch im Sand spielen gehen und merkten, dass sich auch eine Feuerwehr im Wüstensand festfahren kann.

Allgaeu Orient Rallye in JordanienFeuerwehr im Wadi RumFahrerlager im Wadi Rum bei NachtWadi Rum als Fahrerlager der Allgaeu Orient Rallye

Am Abend nutzten wir zum ersten und letzten Mal die Sonnenterrasse auf Elmos Dach, führten wieder lange Gespräche und warteten auf die Siegerehrung. Das Kamel haben wir nicht gewonnen, dafür teilten wir uns mit fast allen anderen Teams einen legendären 4. Platz. Die Sonne zeigte sich schon am Horizont, als die letzten von uns ins Bett gingen.

Gefahrene Kilometer: ca. 310km

 

Tag 22 der Allgäu-Orient-Rallye: Fast vorbei.

Auch wenn wir hätten lange schlafen können, die Sonne machte es definitiv nicht möglich. Schon am Morgen brannte sie erbarmungslos auf unsere Autos und wir nutzten jeden noch so kleinen Schatten, um uns zu schützen. Die letzten Stunden im Fahrerlager waren angebrochen. Es hieß Abschied nehmen von uns lieb gewonnenen Menschen. Und ein letztes Mal kam Rallyestimmung auf, als wir unsere Autos auf einer einigermaßen festen Strecke bis an die Grenzen ihrer Leistungsbereitschaft trieben. Ich danke dem Team Fehlzündung, dem Team meh., dem Team Oogklep, dem Team Kamelroas, dem Team 101 Nacht, dem Team KAMELion und ganz besonders und von tiefstem Herzen meinen Teamkollegen vom Team BorderCross für die tolle Zeit und unvergesslichen Momente.

Fahrerlager der Europa Orient Rallye im Wadi RumLiegestuhl auf dem Dach der FeuerwehrVolvo 850 als Auto für die Europa Orient RallyeWadi Rum in Jordanien

Bevor wir uns wieder in Richtung Amman aufmachten, nutzen wir noch die Gelegenheit für einen Sprung ins Rote Meer. Somit standen wir während unserer Reise einmal in der Nähe vom Schwarzen Meer, gingen in der Türkei im Mittelmeer baden, fuhren in Israel daran vorbei, sprangen dort kopfüber ins Tote Meer, entspannten wiederum im Salzwasser in Jordanien und jetzt, zum Abschluss, nochmal im Roten Meer. Ein guter Schnitt für einen 3-wöchigen Roadtrip.

Straße in JordanienWadi RumKamele im Wadi RumWadi Rum

Der Rest des Tages war gezeichnet von der Fahrt nach Amman (und ja, ihr könnt es erahnen, ich war hinter dem Steuer der Feuerwehr wieder der glücklichste Mensch auf Erden), auf einer Schnellstraße einmal durch Jordanien durch. In der Nähe des Flughafens suchten wir uns einen Stellplatz, wo wir unsere Koffer und Rucksäcke packen konnten und die letzte Nacht verbracht haben.

Gefahrene Kilometer: ca. 380km

 

Tag 23 der Allgäu-Orient-Rallye: Vorbei.

„To the east, to the east, the road beneath my feet.
To the west, to the west, I haven’t got there yet.
To the north, to the north, never to be caught.
To the south, to the south, my time is running out.

Ever since my childhood I’ve been scared I’ve been afraid
Of being trapped by circumstance and staying in one place.
So I always keep a small bag full of clothes carefully stored
Somewhere secret somewhere safe
And somewhere close to the door.

Well I’ve traveled many countries, I’ve washed my feet in many seas.
I’ve drunk with drifters in Vienna and with punks in old dc.
And I’ve driven across deserts driven by the irony
That only being shackled to the road could ever I be free.“ – Frank Turner ‚The Road‘

Europa Orient Rallye

Ende.


Alle bisher erschienenen Artikel über die Allgäu Orient Rallye:

• take an adVANture goes Orient – Allgäu Orient Rallye.

• Der Post-Travel-Blues und seine Nebenwirkungen.

• Tagebuch Allgäu-Orient-Rallye. Tag 1-4: Von Deutschland bis in die Türkei.

• Tagebuch Allgäu-Orient-Rallye. Tag 5-6: Mehrmals quer durch Istanbul.

• Tagebuch Allgäu-Orient-Rallye. Tag 7-14: Türkei – Ein Roadtrip von West nach Ost nach Süd.

• Tagebuch Allgäu-Orient-Rallye. Tag 15-18: Kreuz und quer durch Israel.

• Tagebuch Allgäu-Orient-Rallye. Tag 19-23: Auf Abwegen in Jordanien.


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1 Kommentar

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Blogger-Kollegen * Cool Camping Wohnmobil 20. April 2018 - 11:20

[…] guter Letzt hat sie fast gleichzeitig zu meinem Tadschikistan Roadtrip an einer anderen verrückten Charity-Rallye teilgenommen und offenbar genauso genossen, wie ich. Ihre Blogartikel sind supertoll fotografiert […]

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