Yukon Kanutour: Auf dem Yukon River gen Norden – von Wind und Wellen, Wildnis und dem schönsten Leben

von Elisa | take an adVANture

Yukon Kanutour von Whitehorse nach Carmacks. Ich sitze mittlerweile wieder an meinem Schreibtisch im Allgäu, der aus einer alten Holztür als Arbeitsfläche und zwei hölzernen Böcken besteht. Einfach und rustikal, wie es mir am liebsten ist. Zwischendurch pule ich noch ein paar Harzreste aus meiner Regenjacke, die noch immer verführerisch nach Lagerfeuer duftet.

Ein Berg Wäsche türmt sich ein Stockwerk tiefer, zum Waschen fehlt mir aber gerade die Lust. Schließlich würde ich damit wohl die letzten Gerüche von Wald, dem Yukon und Kanada verlieren.


Transparenz: Der Artikel entstand im Zuge einer unbezahlten Recherchereise. Ich wurde von Ruby Range Adventure zu dieser Yukon Kanutour eingeladen, meine Meinung bleibt davon aber unbeeinflusst. Mein größter Dank geht an die beiden Guides Jonathan und Nils.


Wenn ich von mir und meinen Reisen erzähle, dann sage ich meistens, dass ich auf der Suche nach kleinen Abenteuern und diesem einen speziellen Moment bin. Ohne Definition und Ortsangabe, nur mit einer groben Richtung … draußen.

Ein paar Mal bin ich diesem Moment schon sehr nahe gekommen. Auf der Insel Senja in Norwegen, zum Beispiel. Im Kaukasus, in Georgien. Vielleicht auch ein bisschen in Südostanatolien in der Türkei.

Definitiv gefunden habe ich diesen Moment aber eines Morgens während einer Kanutour auf dem Yukon River, umhüllt von feinen Nebelschwaden und kalten Temperaturen.

Blick vom Kanu auf den Yukon Fluss, mit Kanuspitze im Vordergrund.
Kanu am Ufer des Lake Laberge

Die Nacht davor war eisig, feine Wassertropfen hingen gefroren an meinem Zelt. Der Abbau zog sich kältebedingt in die Länge, erst der anschließende Tee am Lagerfeuer wärmte die mittlerweile steifen Gelenke.

Kaum eine Stunde später paddelten wir wieder auf dem Yukon Fluss, die farbigen Kanus bildeten kleine Farbtupfer vor einer gigantischen Kulisse – und spätestens jetzt war es um mich geschehen. Aber lass mich erst einmal von vorne beginnen.

Yukon River: Der Mythos eines Flusses

Der Yukon – nicht die Gegend, sondern den Fluss meine ich – ist eigentlich kein Gewässer der Superlative. Weder ist er der Längste (er steht mit seinen 3.120km nur auf Platz 5 auf dem nordamerikanischen Kontinent), noch ist er unter normalen Bedingungen einer der Wildesten oder gar Gefährlichsten.

Trotzdem besteht da dieser Mythos und vor allem eine Magie, die einen schon alleine beim Anblick in ihren Bann ziehen.

Die First Nations, die indigene Bevölkerung Kanadas, nutzen den Yukon Fluss bereits seit mehreren Tausend Jahren als Transportweg und Nahrungsquelle. Er war und ist die Lebensader für einige Siedlungen abseits der Straßen, die als solches noch nicht lange existieren.

Legendär machte ihn aber der Klondike-Goldrausch am Ende des 19. Jahrhunderts. Angekommen in Skagway, Alaska, folgten damals hunderttausende Abenteurer:innen und Goldsucher:innen dem Ruf des Goldes und machten sich auf den Weg in Richtung Dawson City.

Dort, wo der Klondike River in den Yukon River mündet; dort, wo Triumph und Misserfolg verdammt eng beieinander lagen.

Person sitzt in Kanu auf dem Yukon Fluss, von hinten fotografiert
Kanuten auf dem Lake Laberge

Zu Fuß über den Chilkoot Trail und von dort aus weiter über die Quellseen des Yukon, ging es schlussendlich einige hundert Kilometer flussabwärts.

Es war der Zeitpunkt, an dem der Mythos Yukon geboren wurde – zumindest für die neue westliche Welt. Die Geschichten, die rund um den Yukon Fluss und die damalige Zeit existieren, gehören zu spannendsten, die ich bisher gelesen habe.

Auf dem Yukon Fluss von Whitehorse nach Carmacks

Ich liebe das Wasser. Ursprung allen Lebens und die Ader, nach der sich ganze Dorf- und Stadtentwicklungen richten. Zu Hause hüpfe ich im Sommer mehrmals die Woche nach dem Aufstehen in einen kleinen Weiher, um vor der Arbeit noch einige hundert Meter zu schwimmen.

Wenn ich dann dort ganz alleine meine Runden drehe, das Haubentaucherpärchen beobachte und die ersten Sonnenstrahlen auf der Wasseroberfläche glitzern, dann weiß ich, dass die Welt für diesen einen Augenblick in Ordnung ist.

Kanuten paddeln auf dem Yukon Fluss
geführte Yukon Kanutour mit Ruby Range Adventure, Kanufahrer im Vordergrund, Landschaft im Hintergrund

Umso mehr habe ich mich auf die Tage auf dem Yukon Fluss gefreut, wo Wasser und Wildnis 24 Stunden am Tag der Hauptfokus waren.

Acht Kanus, 15 Leute, 320 km, 11 Lagerfeuer, sechs Nächte, einmal nasse Socken und zwei mehr oder weniger misslungene Anlandungen – so die grobe Statistik für diese Yukon Kanutour, die mich mit Ruby Range Adventure von Whitehorse bis nach Carmacks führte.

Und jetzt nehme ich dich in Wort und Bild mit auf diese Reise, die zu einer meiner schönsten gehört. Du liest von meinen Erfahrungen und einen ‚Yukon mit dem Kanu‘ – Reisebericht.

Yukon Kanutour Tag 1: das Kennenlernen

Etwas außerhalb von Whitehorse, und zwar dort, wo sich der Takhini River und der Yukon Fluss treffen, startete die Tour. Mit einem Kayak habe ich mittlerweile schon so einige Gewässer befahren, eine Kanutour aber, noch dazu in so einem Umfeld, war etwas komplett Neues.

Und, so viel kann ich dir jetzt schon verraten, es war definitiv nicht die letzte Reise dieser Art für mich.

Doch bevor es endlich losging – meine Müdigkeit wich der Vorfreude und einem riesigen Grinsen – hieß es erst einmal Theorie vor Praxis und im Anschluss Umfrachten von Säcken und Tonnen.

Denn es mussten Zelte, Proviant, Drybags, Diverses und Menschen auf die Boote verteilt werden, ein Teil davon mit System, der Rest nach dem Zufallsprinzip.

Rote Kanus liegen am Ufer des Yukon Fluss.

Noch hatten wir das Wetter auf unserer Seite und konnten so bei schönstem Sonnenschein die ersten Runden auf dem Yukon Fluss drehen. Manche dieser Runden waren gewollt, manche vielleicht doch eher etwas ungeplant.

Auf den ersten paar Kilometern hörten wir vereinzelt noch ein paar Fahrzeuge, deren Geräusche der Wind vom parallel verlaufenden Klondike Highway zu uns herüber trug. Ab und zu sah man auch noch Anzeichen von Zivilisation am Ufer.

Aber kaum eine Stunde später gab es nur noch uns, das Wasser, die Wälder und einen mächtigen Weißkopfseeadler, der uns unbeeindruckt von oben beobachtete.

Am Anfang mussten sich Aussicht und Paddeltechnik meine Aufmerksamkeit teilen. Gerader Oberkörper, obere Hand am Griff, untere am Schaft. Gleichmäßige Züge, immer nahe am Boot, gelenkt wird vom Hintermann oder wahlweise der Hinterfrau – so weit, so gut.

Uns blieben ja noch über 300 Kilometer, um die Technik zu verfeinern und die Paddel im Einklang durch das Wasser zu ziehen.

Weißkopfseeadler auf Baumspitze.

Nach 10 Kilometern weitete sich der Yukon Fluss und ging spurlos in den Lake Laberge über, einem See von 50 Kilometern Länge und bis zu 4 Kilometern Breite. Die Zahlen werden, so theoretisch sie auch sein mögen, in den kommenden Zeilen eine nicht ganz unwichtige Rolle spielen.

Genauso, wie der See in den folgenden zwei Tagen für reichlich Gesprächsstoff sorgte und uns zeigte, wer hier das Sagen hat. Mensch gegen Natur und ratet mal, wer fast gewonnen hätte.

Die ersten paar Kilometer auf dem Lake Laberge waren geschafft und den Abend konnten wir bei Lagerfeuer und leckerem Essen am Rande des Ufers ausklingen lassen. Die orangenen Zelte bildeten einen schönen Kontrast zum Dunkel-, Gras-, Oliv- und Khakigrün des dichten Waldes, während das Feuer gemütlich vor sich hin prasselte.

Yukon Kanutour Tag 2: der Mensch und das Wasser

Nach dem Aufstehen wurden die Zelte zusammengepackt, danach folgte das Frühstück, die Morgentoilette, das Befüllen der Lunchboxen, der Abwasch und im Anschluss dann das Bepacken der Boote.

Eine Routine, der wir in den kommenden Tagen regelmäßig nachgegangen sind und die schon nach kurzer Zeit geübte Handgriffe mit sich brachte – perfekt für den (meinen) allmorgendlichen Dämmerzustand nach dem Aufstehen.

Holzpaddel für eine Yukon Kanutour liegt auf Drybags am Wasser.
Zelte am Ufer vom Lake Laberge, gesicherte Kanus liegen umgedreht daneben.

Danach hätte der Ablauf an Tag Zwei der Yukon Kanutour unter normalen Umständen wie folgt ausgesehen: Nachdem sich Boote und Menschen wieder im Wasser befunden hätten, wären wir nahe am rechten Ufer gen Norden gepaddelt.

Ihr merkt aber, die letzten zwei Sätze sind gespickt mit einigen Konjunktiven. Denn der vorhergesagte Wetterbericht ließ unsere beiden Guides den Ablauf bereits am Abend zuvor etwas umplanen.

Unter diesen besonderen Umständen wäre Tag Zwei dann also wie folgt abgelaufen: Statt am rechten Ufer entlang, wären wir auf die andere Seite vom Lake Laberge gepaddelt, damit uns die Wellen nicht hätten an Land drücken und wir im Windschatten der Berge und Wälder gen Norden fahren können.

Hätte, wäre, wenn … das Wetter und die Natur richten sich nunmal nicht nach uns Menschen und bedienen sich selbst auch gerne mal dem Konjunktiv.

Schlussendlich mussten wir an Land bleiben und zusehen, wie Wind und Wellen bereits morgens deutlich zunahmen und einen Wechsel der Ufer unmöglich machten. Für den Rest des Tages.

Blick von oben auf den Lake Laberge.
Brennendes Lagerfeuer mit trocknenden Wanderschuhen drumherum.

Stattdessen tauschten wir die Gummistiefeln gegen Wanderschuhe und stapften eine Weile durch den Wald und einen Berg hinauf, um gemeinsam die Aussicht zu genießen.

Von dort oben lag der Lake Laberge seelenruhig da, berüchtigt für seine Fallwinde, eine blaue Oase zwischen dem Grün der Wälder. Harmlos aus der Vogelperspektive, fast schon bedrohlich aber, wenn man wieder einen Fuß an sein Ufer setzte.

Der Mensch und das Wasser – wir können nicht ohne, aber manchmal auch nicht mit.

Die nächsten Stunden waren gespickt mit schönen Unterhaltungen über das Reisen, das Surfen und die Natur, am Lagerfeuer unter freiem Himmel. Eine Alternative, mit der ich mich gut arrangieren konnte – es blieb mir ja schließlich auch nichts anderes übrig.

Yukon Kanutour Tag 3: Alter Schwede!

Was wir wohl gemacht hätten, wenn der Wind nicht nachgelassen hätte? Ich weiß es nicht und zum Glück mussten wir an dieses Szenario auch keinen Gedanken verschwenden.

Einen ganzen Tag hatten wir auf unserem Weg nach Carmacks verloren. Die Konsequenz daraus war, dass die folgenden Tage länger und um einiges anstrengender werden würden. War der Lake Laberge also am Tag zuvor Gesprächsthema Nr. 1 aufgrund des Windes, war er es an Tag 3 wegen seiner Länge.

Noch 45 Kilometer ohne Strömung, in der Hoffnung, dass das Wetter jetzt auf unserer Seite war. Und ja, wir hatten Glück. Öfter mal zeigte sich die Sonne, die Regenschauer zwischendurch waren nur von kurzer Dauer und erneute Windböen konnten wir gemütlich an Land aussitzen.

Kanus auf dem Lake Laberge, mit felsigem Ufer im Hintergrund.
Kanufahrer auf dem Lake Laberge
Kanu auf dem Lake Laberge im Yukon, felsiges Ufer im Hintergrund

Beim vierten Mal wechseln zwischen Regenjacke, Daunenjacke und Pullover hatte ich aufgehört zu zählen. Wärme, Nässe und Kälte gaben sich so schnell die Klinke in die Hand, dass ich die einzelnen Kleidungsstücke schon nicht mehr in dem kleinen Drybag verstauen wollte.

Trotz des straffen Zeitplans blieben genügend Momente, um die fantastischen Aussichten zu würdigen. Schroffe Felswände vielen fast senkrecht ins Wasser, die kleinen Kanus im Vordergrund zeigten perfekt das Verhältnis zwischen klein und groß, bunt und grau, wendig und schon Jahrtausende überdauernd.

Dann wieder, nur ein paar Kilometer weiter, verlief der Wald sanft bis an die Uferkante. Perfektion par excellence.

„Wenn man sich Kanada genau anschaut und seine Geografie eingehend studiert, wird man das Gefühl nicht los, dass Gott zuerst das Kanu entwarf – und dann erst ein Land ersann, in dem es sich prächtig entwickeln kann.“ – Bill Mason

Zwischendurch ließen wir uns in den Booten treiben und ich auch meine Gedanken. Die umliegenden Berge spiegelten sich in der ruhigen Wasseroberfläche, unterbrochen von winzigen Wellen, die am Kanu plätscherten.

Ich baute Luftschlösser in den Himmel, malte Fantasien in das Wasser und fühlte mich so lebendig, wie schon lange nicht mehr. Hektik und zu viel Arbeit fressen unseren Alltag und lassen Wochen nur so zerrinnen.

Erst hier, in der Natur, spürt man wieder, was wirklich wichtig im Leben ist: Zeit und die Freiheit, die eigenen Spinnereien und Träume so leben zu können, wie man es gerne möchte.

Ich weiß schon nicht mehr, wie viele Stunden wir bereits unterwegs waren. Mittlerweile wurden die Arme schwer, jeder Paddelschlag verlief vollkommen automatisiert und es entwickelte sich ein fast tranceartiger Zustand.

Um im Rhythmus zu bleiben, ging ich gedanklich ein paar Lieder mit gleichmäßigem Takt durch. Schlussendlich bin ich dann bei meinem All-Time-Favorite gelandet: Frank Turner mit „The Road“. Vom Titel her vielleicht nicht ganz passend für eine Yukon Kanutour, aber eine der Textpassagen traf den Augenblick doch recht gut: „I face the horizon …“ – denn das war genau das, was für Stunden die Richtungsvorgabe war.

Der Horizont und darüber hinaus.

Mit jeder Bucht, die wir rechts von uns passierten, kamen wir dem Ziel ein Stück näher. Und zum Ende hin wurde es für uns alle körperlich doch noch verdammt hart. Puhhh, ey … alter Schwede!

Kanu am Ufer vom Lake Laberge
Paddelnde Kanuten auf dem Lake Laberge.
Abenddämmerung am Yukon Fluss, mit auf's Ufer gezogenen Kanus.

Gleich hinter der Stelle, wo der Lake Laberge endete und der Yukon Fluss wieder Fahrt aufnimmt, befand sich das Nachtlager. Wir teilten uns die Fläche mit einigen Relikten früherer Zeiten und genossen die Stille nach dem anstrengenden, trotz dessen aber wunderschönen Tag.

Die Kanadier schimmerten währenddessen im Licht der untergehenden Sonne. Wieder einmal einer dieser vielen perfekten Momente, von denen noch so einige folgten.

Yukon Kanutour Tag 4: Achzig!

Die Nacht war kalt. Arschkalt, um es in einem Wort auf den Punkt zu bringen. Die kleinen Wassertropfen auf meinem Zelt waren gefroren und über dem Yukon lag feinster Morgennebel.

Bei den Temperaturen dauerte das Zusammenbauen doppelt so lange, wobei das Aufwärmen der eiskalten Hände die meiste Zeit in Anspruch nahm. Wir starteten zeitig, denn wir hatten den verlorenen Tag noch lange nicht aufgeholt.

Jetzt aber half uns die Strömung des Yukon beim Vorankommen – wenn auch später etwas zu schnell, als gewünscht.

Der folgende Teilabschnitt bis zur Einmündung des Teslin River wird auch Thirty Mile River genannt. Ein Naturdenkmal, das der Bezeichnung alle Ehre macht. Die Farbe „Grün“ strahlte uns in allen möglichen Farbnuancen vom Ufer entgegen und ich verliebte mich ein weiteres Mal in diese unfassbar hübsche Gegend.

Vor allem die Wälder haben es mir dabei angetan. Hier gibt es keinerlei Forstwirtschaft oder ähnliches, die Natur kann sich frei und eigenständig entfalten. Zurück bleibt dabei eine manchmal undurchdringliche Wildnis, die sich selbst und den Tieren überlassen wird. Im Einklang, wie seit Anbeginn der Zeit.

Morgennebel am Yukon Fluss.
Pause am Yukon River
Kanufahrer entspannen auf dem Yukon

Borealer Nadelwald nennt man das. Geprägt von Fichte, Pappel und Kiefer und bestimmt durch den Permafrost und kurze Vegetationsphasen. Und hier weltweit in seiner größten unberührten Ausdehnung auffindbar.

Zwischendurch fanden sich am Ufer kahle Flächen, zerstört durch große Waldbränden. Der Großteil der Brände wird durch Blitzschlag ausgelöst und sie werden, solange keine Siedlungen bedroht sind, auch sich selbst überlassen.

Der Lauf der Natur, es erfolgt quasi eine ökologische Runderneuerung.

Immer mal wieder entdeckt man Reste von First Nation – Siedlungen oder aber vom legendären Goldrausch entlang des Flusses. So auch gegen Nachmittag, als wir auf Shipyard Island anlandeten, um die Überreste des Dampfschiffes „Evelyn“ zu sehen.

Leider verlief die Anlandung in meinem Fall nicht ganz nach Bilderbuch, es war eher ein Paradebeispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Nach einigen Schreckmomenten hatte ich wieder festen Boden unter meinen überraschenderweise trocken gebliebenen Füßen und ich konnte die Situation als Erfahrung abhaken: Been there, done that.

Wenn man den Yukon Fluss von oben aus betrachtet, dann zeigt er sich als blaues Band, das sich durch dichtes Grün windet. Nicht nur einmal reiht sich eine 180 Grad Biegung an die nächste und versperrt die Sicht auf die folgenden hundert Meter.

Perfekt für viele Überraschungsmomente – auf Seiten der Menschen, wie auch der Tiere.

Dampfschiff Evelyn auf auf Shipyard Island
Elche am Ufer vom Yukon Fluss
Seeadler mit gefangenem Fisch am Ufer vom Yukon.

Der Tag war der längste der ganzen Woche. Achtzig Kilometer würde der Tacho anzeigen, wenn so ein Kanu denn einen hätte.

Erst spät erreichten wir das Camp und anstatt den Abend gemütlich am Lagerfeuer ausklingen zu lassen, zog bald ein Sturm über uns hinweg.

Regenjacke und -hose versagten bei der Menge an Wasser von oben und wir zwängten uns alle unter das Tarp, das über der provisorischen Küche aufgebaut wurde.

Frisch gefangener und gegrillter Fisch und ein warmer Eintopf wärmten von innen, für die Nacht nahm ich mir einen heißen Stein, eingewickelt in ein Handtuch, vom Lagerfeuer mit ins Zelt. Und wieder einmal: Keinen einzigen Augenblick des Tages möchte im Nachhinein missen wollen.

Yukon Kanutour Tag 5: der Wind, der Wind, das …

Der stürmischen Nacht folgte ein ruhiger Morgen. Vorerst. Mittlerweile war jeder Handgriff Routine und wir beeilten uns, die Ausrüstung zu verpacken und zu den Booten zu tragen.

Die nasse Regenjacke fixierte ich an meinem Sitz, ich stieg ins Kanu und mit dem Paddel stießen wir uns von Land ab. Ein, zwei Paddelschläge und schon gab die Strömung des Yukon wieder die Richtung vor.

Die Welt ist eigentlich ein riesiger Haufen Chaos. Global betrachtet, was hier jetzt nichts zur Sache tut, aber auch oftmals ganz klein, in jedem Menschen selbst. Jeden einzelnen Tag müssen neue Entscheidungen getroffen werden.

Und damit meine ich keine existenziellen Dinge, denn es beginnt ja bereits damit, welche Socken man denn nach dem Aufstehen anziehen möchte. Wie gut, dass im Sommer Flip-Flop- und Barfußwetter herrscht.

Kurz darauf steht man dann vielleicht im Supermarkt vor dem Regal und überlegt, ob es der Deo-Roller oder das Deo-Spray werden soll. Doch lieber der Roller, weil ökologischer. Das ist nur ein simples Beispiel von vielen.

Big Salmon Telegraph Station Yukon
Big Salmon Siedlung Yukon
Kanufahrer auf dem Yukon Fluss

Diese Fülle an Möglichkeiten und Überlegungen gab es hier draußen nicht. Die Richtung war klar, die Wahl der Socken fiel einfach auf die wärmsten, die ich hatte, und ein Deo spielte sowieso keine Rolle. Es folgte ein immer gleicher Tagesablauf und doch war er jedesmal komplett anders.

Hinzu kam an jenem Tag noch der Wind, der uns einige Entscheidungen abnahm. Hatten wir uns für die rechte Uferseite vom Yukon Fluss entschieden und blies der Wind von eben dieser, dann wurde es halt die linke. Oder irgendetwas dazwischen.

Verteilt über einige Stunden kostete das aber viel Kraft und wir kamen nur sehr langsam voran. Gefühlt habe ich mich dabei wie ein Spielball des Windes, der seine Richtung änderte, wie es ihm gerade beliebte. Ziemlich Launisch und gänzlich unberechenbar.

Kanus einer Yukon Kanutour am Ufer des Yukon Fluss
Zelt im Wald am Ufer des Yukon Fluss
Aesche ueber Lagerfeuer

Unser Lagerplatz am Abend gehörte zu den schönsten der ganzen Yukon Kanutour. Wir konnten die Zelte über mehrere Ebenen verteilt aufbauen, verbunden über einen kleinen Holzsteg, und gemütlich auf Baumstämmen am Lagerfeuer sitzen.

Die Flammen ließen die Gesichter leuchten und die Schatten im Hintergrund tanzen. Und die Gespräche reichten von angenehm belanglos bis spannend und abendfüllend.

Yukon Kanutour Tag 6: süße Melancholie

Mein Wecker klingelte bereits um 6.00 Uhr früh. Ich wollte den letzten Morgen auf dem Yukon Fluss noch einmal ganz für mich alleine haben. Die Nacht war wieder frostig kalt und mit klammen Händen öffnete ich den Reißverschluss an meinem Zelt.

Noch bevor ich ihn sah, hörte ich ihn – das Plätschern des Flusses, um den sich in den letzten Tagen alles drehte. Es war also doch kein Traum.

Ich schlüpfte sofort in meine Gummistiefel, rutschte die kleine Böschung nach unten und lauschte für die nächste halbe Stunde den Klängen des Yukon. Es ist die Magie des Nordens, hat man mir gesagt. Die einen packt, festhält und einfach nicht mehr loslässt. Alles Hirngespinste, hatte ich vor der Kanutour gedacht.

Wie falsch ich doch damit lag!

Das Lagerfeuer wärmte, der heiße Tee tat sein übriges. Reden mochte ich in dem Augenblick nicht, stattdessen lieber auf die Flammen starren und alles um mich herum voll auskosten. Der Morgennebel hielt sich hartnäckig und als wir etwas später mit den bepackten Kanus wieder auf dem Yukon trieben … genau da war es um mich geschehen.

Dieser eine spezielle Moment. Und sonst war da nur Stille.

Warm angezogene Person wärmt sich Hände und steht am Yukon Fluss.
Yukon Kanutour mit Morgennebel
Sonnenaufgang mit Kanu und Morgennebel am Yukon Fluss

Niemand von uns redete, während die Kanus fast lautlos über das Wasser glitten. Die Paddelschläge waren in dem Moment eher reine Gewohnheit und dienten weniger dem Vorwärtskommen. Erst als sich ein Biber am Rande des Ufers blicken ließ, erwachten wir alle aus unseren Träumereien.

Wir fuhren eine ganze Weile, bis sich die Sonne nach oben kämpfte und den Nebel langsam auflöste. Da die Temperaturen bei knapp über 0 Grad lagen, hielten jetzt alle ihre Gesichter in die wärmenden Strahlen und genossen das Hier und Jetzt.

Die Pausen wurden immer mehr und immer länger, die Stimmung ausgelassener. Eigentlich schade, dass es nur noch ein paar Stunden dauerte, bis wir das Ziel unserer Reise erreichten.

Mehrere farbige Kanus im Morgennebel auf dem Yukon Fluss
Kanu im Morgennebel auf dem Yukon Fluss
Zelte am Ufer des Yukon in Carmacks

Kurze Zeit später waren wir wieder zurück in der Zivilisation. Ein komisches Gefühl, wobei man hier das Wort „Zivilisation“ erst einmal in Anführungszeichen setzen muss – besteht Carmacks doch in näherer Umgebung aus nur einer Handvoll Häuser und insgesamt knapp 500 Einwohner:innen.

Ich baute mein Zelt direkt oberhalb des Ufers auf, nur ein paar Meter vom Yukon Fluss entfernt. Wenigstens ein letztes Mal wollte ich mit seinen Geräuschen am Abend einschlafen und mit seinem Anblick am Morgen wieder aufwachen.

Yukon Kanutour Tag 7: Ende

Es ist der letzte Morgen. Der Abschied lässt sich nur aus dem Grund leichter ertragen, da im Anschluss noch eine 2 ½ wöchige Yukon Reise mit Jeep und Dachzelt auf mich wartet. Aber das ist eine andere Geschichte, bei der ich u.a. den Indian Summer im Tombstone Territorial Park bewundere oder am Rand vom Kluane Nationalpark wandere.

Über die Kanutour von Whitehorse nach Carmacks

Die Summe an extremen Wetterverhältnissen war bei uns die Ausnahme von der Ausnahme. Normalerweise verläuft die Tour entspannter und mit kürzeren Tagesetappen, wir aber mussten die verlorenen Stunden über die restliche Zeit verteilt aufholen.

Das Ganze tat der Stimmung und dem Erlebnis aber keinen Abbruch, ganz im Gegenteil.

Als geführte Yukon Kanutour ausgeschrieben, eignet sie sich auch für Anfänger:innen jeden Alters. Erfahrungen im Camping und Paddeln sind von Vorteil, aber kein Muss.

Mehr darüber, über den Anbieter und weitere Touren (zum Beispiel kannst du die Kanutour von Carmacks bis Dawson City verlängern) erfährst auf der Internetseite von Ruby Range Adventure.

geführte Yukon Kanutour Route auf Papierkarte
Essenslager und Tarp für die geführte Yukon Kanutour
geführte Yukon Kanutour, mehrere Kanus mit Personen auf dem Fluss

Ich habe jeden einzelnen Augenblick genossen. Hier zeigte sich mal wieder, was wirklich wichtig im Leben ist und auf was tagtäglich unser Fokus liegen sollte. Denn wie immer: Nichts mehr braucht der Mensch, um glücklich zu sein.

Und in diesem Sinn: Leave No Trace – hinterlasse keine Spuren.

Wissenswertes für eine geführte Yukon Kanutour

Damit du für so eine Reise gut vorbereitet bist und es (fast) keine Unklarheiten mehr gibt, habe ich dir hier kurz die wichtigsten Informationen für eine geführte Yukon Kanutour zusammengefasst.

Route: Es gibt 3 Möglichkeiten einer Kanutour auf dem Yukon Fluss. Und zwar geht’s entweder von Whitehorse nach Carmacks, von Carmacks nach Dawson City oder, als größte und längste Tour, von Whitehorse nach Dawson City.

Start: Ausgangspunkt der Reise ist immer Whitehorse, von wo aus es mit einem Fahrzeug zum offiziellen Startpunkt geht (zur Mündung Takhini Rivers in Yukon River oder nach Carmacks).

Es folgt eine Einweisung in den täglichen Ablauf, ins richtige Bepacken und in die perfekte Paddeltechnik. Und dann geht’s auch schon los.

Ausstattung (vom Veranstalter gestellt): Die ‚Hardware‘, also Zelt, Kanu und Paddel, wird vom Veranstalter gestellt, ebenso wie die Verpflegung (vegetarisch war in meinem Fall möglich) und ein großer Drybag zum Verstauen der Kleidung.

Ausstattung (von dir mitzubringen): Der Veranstalter schickt dir vor der Reise höchstwahrscheinlich eine Liste mit den mitzubringenden Dingen.

Ganz besonders wichtig ist dabei ein sehr guter Schlafsack (der Komfortbereich sollte unter 0 °C liegen), eine Isomatte, schnell trocknende Gummistiefel (also ohne Innenfutter), ein Regencape und eine Regenhose.

In Whitehorse gibt es einen gut sortierten Walmart bzw. diverse Outdoorläden, wo du fehlendes oder vergessenes nachkaufen kannst.

Deine Camping Hygiene sollte aus biologisch abbaubaren Naturprodukten bestehen (Tipps dafür findest du im verlinkten Artikel) und dennoch nicht direkt im Yukon Fluss benutzt werden.

zwei beladene Kanus liegen am Ufer des Yukon Fluss
geführte Yukon Kanutour mit Guide

Ablauf: Der tägliche Ablauf ist eigentlich immer gleich. Nach dem Aufstehen werden Schlafsack, Zelt und Isomatte zusammengepackt. Danach gibt’s Frühstück am Lagerfeuer, bei dem am Ende die Brotzeit für unterwegs geschmiert wird.

Nachdem abgewaschen, das Camp abgebaut und alles in Containern und Drybags verstaut wurde, wird die Ausrüstung auf die Kanus verteilt und richtig befestigt. Einen Großteil des Tages verbringt man auf dem Wasser, mit ein paar Zwischenstops an Land.

Und zum späten Nachmittag wird das Lager für die Nacht aufgeschlagen, mit allen Vorkehrungen, die es dafür benötigt.

Camping: Ein wichtiges Augenmerk gilt der Bärenabwehr (meine Tipps liest du im verlinkten Artikel). Alle Lebensmittelcontainer werden nachts gut verschlossen und zentral gelagert, ebenso wie dein Hab und Gut.

Im Zelt selbst darf sich außer dir nichts befinden, was vom Geruch her für einen Bären interessant sein könnte – auch keine Zahnpasta.

Manchmal gibt es an den Campspots Plumpsklos, meist steht aber nur ein Spaten zur Verfügung und du erledigst dein Geschäft in der Natur. Das benutzte Klopapier wird anschließend in eine Papierttüte gepackt und im Lagerfeuer verbrannt.

Kenntnisse: Für die klassische geführte Yukon Kanutour brauchst du keine besondere Kenntnisse. Von Vorteil ist, wenn du schon einmal beim Camping warst.


Leseempfehlung: Dirk Rohrbach fuhr 2011 mit einem selbstgebautem Birkenrindenkanu von den Quellseen des Yukon bis zum Beringmeer. Dieses Reiselektüre kaufst du am besten in deiner örtlichen Buchhandlung, oder
➔ online z.B. hier: GeniaLokal* (lokal) // Buch7 (sozial) // medimops (gebraucht)

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