Camping als achtsamste Form des Reisens.

von Elisa | take an adVANture
Camping als achtsamste Form des Reisens

* Ein Gastartikel von Tonia Bittmann *

Die Piniennadeln knistern unter deinen Füßen, sobald du nach draußen trittst. Alle Oberflächen sind noch vom Morgentau überzogen und die Luft ist klar und rein. Vollkommen still ist es nicht, denn du nimmst Geräusche wahr, die normalerweise von vier Wänden um dich herum abgeschirmt werden. Die frische Luft macht das Wachwerden einfacher und schon einige Minuten später dampft dir der Geruch von frischem Kaffee entgegen.

Manchmal hat man das Gefühl, dass sich die Welt schneller dreht und immer mehr Einflüsse auf einen einprasseln. Den ganzen Tag konsumiert man Inhalte, Situationen und die Energien von Menschen und Orten, ohne sich auf eins davon gezielt einlassen zu können. Vieles davon ist zweifellos abenteuerlich und bereichernd, aber wann hast du mal die Zeit all das zu verarbeiten?

Camping Achtsamkeit Zelte

Gewohnte Gefilde zu verlassen und sich zumindest geografisch vom Alltag zu entfernen, ist auf jeden Fall eine Möglichkeit, etwas Abstand zu nehmen. Camping ist dabei eine sehr besondere Form des Reisens. Anstatt von Ort zu Ort zu hetzen und Bucketlists abzuarbeiten, reduziert sich der Alltag auf das Wesentliche und die Reize werden allmählich weniger. Auf einmal ist es wichtiger, die richtige Ausrüstung passend zum Wetter zu haben, als beim Meeting im Büro einen guten Eindruck abzuliefern. Beim Leben in der Natur fallen uns Kleinigkeiten auf, die wir im Alltag oft als selbstverständlich hinnehmen. Vogelgezwitscher, Wasserrauschen oder kleine Prozesse und Rituale, denen wir nachgehen, um den Tagesbeginn zu gestalten. Du entwickelst nach und nach eine neue Form der Achtsamkeit, indem du dich dem Rhythmus der Natur anpasst und auch mit dir selbst wieder einfühlsamer umgehst und darauf achtest, was dir in dem Moment guttut. Besonders wichtig ist dabei, dass du dir auf der Reise keine festen Regeln vorschreibst und dich auch mal auf das Phänome der Langeweile einlassen kannst.

Es gibt drei (langsame) Schritte, wie für dich der Campingtrip zur achtsamen Form des Reisens werden kann. So kannst du dein eigenes Tempo finden und lernst, wie wertvoll auch die simpelsten Dinge sein können.

1. Raus in die Natur

Der größte Unterschied zum Leben zu Hause ist die Umgebung. Völlig egal, ob du in einem anderen Land campen gehst oder auf dem Feld im Nachbardorf: Es fühlt sich anders an, aufzuwachen, sobald die Sonne aufgeht und als erstes frische Luft einzuatmen. Beim Blick aus dem Vanfenster oder der Zelttür siehst du wahrscheinlich keine Straße und Werbeanzeigen, sondern Wiesen, Felder, Berge und Seen. Je nachdem wie du reist, kannst du völlig frei zwischen Camping in freier Natur oder eher zivilisierten Quadratmetern auf dem Campingplatz entscheiden – vielleicht hältst du auch genau die Balance oder wagst dich ab und zu aus deiner Komfortzone hinaus. Das Gefühl, Orte zu entdecken, von denen man immer geträumt hat, ist auf jeden Fall einzigartig!

Strand in Frankreich

Egal, in welcher Form von Natur du dich befindest, es gibt immer Einflussfaktoren, die weder beeinflussbar, noch vorhersehbar sind, was Camping von einer Sekunde auf die andere zum Abenteuer werden lässt. Alle Abläufe brauchen eine gewisse Routine. In den ersten Tagen ist dein Schlafplatz vermutlich chaotisch, deine Kisten unsortiert und das kleinste Krabbeltier kann zu einem halben Nervenzusammenbruch führen. Mit der Zeit erlernst du Fähigkeiten, die du vielleicht noch aus dem Ferienlager als Kind kennst: Zu erkennen wann Regen am Horizont aufziehen, die Uhrzeit am Stand der Sonnen abzulesen oder welche Tiere es auf deine Essensvorräte abgesehen haben. Sobald du gelernt hast, deinen Rhythmus zu finden und auch mit unvorhersehbaren Situationen umzugehen, wirst du dich wie der absolute Vollblut-Abenteurer fühlen!

2. Erkenne die simplen Dinge

In einer Welt, in der Multitasking zum Grundrepertoire eines jeden Großstädters gehört, ist es umso schöner, den Wert der ganz simplen Dinge zu erkunden, was beim Camping ganz besonders gut funktioniert. Kleine Prozesse und Routinen erfordern auf einmal viel mehr Schritte, als morgens verschlafen ins Bad zu tapsen und danach für das Frühstück nur einen Knopf am Herd zu bedienen.

Sobald du auf deiner Campingreise morgens aufwachst, drehen sich deine Gedanken erst mal um die essenziellen Grundbedürfnisse: Gibt es noch genug Wasser? Ist das Wetter gut genug, um draußen zu frühstücken? Wo finde ich eine Toilette?

Wohnmobil Camping Frankreich

Einfache Strukturen für deinen Kopf, der endlich etwas anderes zu tun hat, als morgens direkt das Gedankenkarussell anzuschalten. Du erledigst sorgsam eine Aufgabe nach der anderen und bist stolz, wenn du den Campingkocher zum Laufen gebracht hast. Jeden Tag abwechslungsreich und nahrhaft zu kochen ist gar nicht so einfach, denn oft hast du nur eine begrenzte Anzahl an Zutaten und Kochplatten zur Verfügung. Hier helfen vor allem One-Pot-Gerichte, ein ordentliches Frühstück und viel Geduld, bis du auch hier deine Routinen und kleinen Life-Hacks entwickelt hast. Die simplen Dinge werden zu etwas Besonderem und du wirst feststellen, dass eine warme, einfache Mahlzeit an der frischen Luft noch viel besser schmeckt als zu Hause vor dem Computer.

Dein Alltag wird also auf das Wesentliche reduziert: einen Schlafplatz zu finden, Essen zuzubereiten und deine wenigen Quadratmeter sauber zu halten. Konstant bewegst du dich an der Grenze zwischen Entspannung und Abenteuer.

3. Take it slow – nimm Dir Zeit für Dich

Beim Camping bekommst du etwas, wonach du zu Hause immer suchst: Zeit. Welcher Aufgabe du dich auch gerade widmest, du musst dich nicht beeilen, denn deine Tagesziele sind überschaubar. Jederzeit kannst du dich fragen, wonach dir gerade ist und lernst, in dich hinein zu fühlen. Vielleicht steht dir der Sinn nach dem Aufstehen nach ein wenig Bewegung oder du setzt dich einfach nur vor deinen Van oder dein Zelt, lauscht den Vögeln und betrachtest dein Umfeld.

Nimm dir Zeit für Dich und deinen Körper, hör auf kleine Signale, genieße die Ruhe und setz’ dich mit wiederkehrenden Gedanken auseinander. Übrigens ist das auch ein guter Zeitpunkt, um zum Beispiel Meditation oder Yoga auszuprobieren. Da du von Natur umgeben bist und gelernt hast, dich auf simple Prozesse zu konzentrieren, ist deine Grundverfassung schon etwas ausgeglichener und ruhiger als in deinem Alltag zu Hause. Es wird dir leichter fallen, Achtsamkeitsübungen als Routinen zu etablieren und auch nach der Reise weiter zu führen. Meditieren heißt nicht unbedingt, mit geschlossenen Augen stundenlang still zu sitzen, sondern auch ein Spaziergang durch den Wald, bei dem du einfach nur auf wiederkehrende Gedanken achtest, kann total meditativ wirken.

Camping Frankreich Achtsamkeit

Du bist also achtsam dir selbst gegenüber und stellst fest, dass du natürlich deine eigenen Routinen entwickelst. Der Punkt kommt, an dem du dir selbst genug bist und du endlich mal genug Zeit zum Denken und Sein hast. Das ungefilterte Wahrnehmen deines Umfelds trägt auch dazu bei, dass du von puren Glücksmomenten überrascht wirst, wie zum Beispiel das Bad in einem glasklaren See, ein warmer Regenschauer, ein Sonnenaufgang in allen Farbfacetten oder wenn du in einer Situation gelernt hast zu improvisieren und dich dadurch stärker und wie ein Überlebenskünstler fühlst.

Die Reize, die auf dich wirken, werden also nach und nach weniger und du hast weniger das Bedürfnis, dich mit Informationen und Inhalten zu überfluten. Auf einmal sind Sternbilder am vollkommen schwarzen Nachthimmel interessanter als die neue Staffel deiner Lieblingsserie.

Zurück zu Hause hast du vielleicht gelernt, dass du das wichtigste in deinem Kosmos du selbst bist und übernimmst sogar kleine Routinen, die du auf der Campingreise etabliert hast. Geräte und Maschinen, die du früher als selbstverständlich wahrgenommen hast, wie deine Dusche oder deine Kaffeemaschine, beginnst du, wieder aktiv zu wertschätzen und siehst, wofür du dankbar sein kannst.

Hast du alles? Deine Campingpackliste.

Bevor du dich nun Hals über Kopf in dein Campingabenteuer stürzt, bekommst du hier noch ein paar Tipps, die dir den Alltag in der Natur erleichtern. Achte beim Packen darauf, dass Kosmetik und Küchenutensilien möglichst natürlich sind, besonders bei Seife, Shampoo, Spül- und Waschmittel, denn alles was du nutzt, wird fast ungefiltert in die Natur gespült.

1. Praktische und wasserdichte Alltagshelfer wie eine gute Regenjacke, warme Socken, schnell trocknende Handtücher und ein warmer Schlafsack.

2. Multifunktionale Gegenstände: Töpfe mit Deckel, in denen das Wasser schnell kocht und Boxen und Tassen, die das Zubereitete warmhalten. Auch ein Multitool mit Dosen- und Flaschenöffner und ein scharfes Messer kannst du jeden Tag gebrauchen. Außerdem wichtig: ein Feuerzeug + Ersatz!

Camping Utensilien

3. Hochwertige Basics zum Kochen, mit denen sich verschiedene Gerichte zubereiten lassen und luftdichte Behälter, in denen du alles aufbewahren kannst.

4. Ein großer Wasserkanister, damit das frische Wasser zum Trinken und Kochen, Waschen und Zähneputzen nicht ausbleibt.

5. Der ultimative Gemütlichkeitsgarant: eine Lichterkette und Kerzen.

6. Eine Playlist, die auch offline funktioniert und ein gutes Buch.

7. Gemütliche Kleidung und eine Yoga- oder Trainingsmatte.

8. Insektenschutzmittel und Sonnencreme.

9. Ein Notizbuch, in dem du ganz analog deine Erlebnisse aufschreiben und dich mit deinen Gedanken auseinandersetzen kannst. Auf dem Blatt, aus dem Kopf!

10. Falls du mit dem Auto reist: Starterkabel oder eine zweite Batterie.


Spirit of Eden Tonia Bittmann

Tonia arbeitet bei Spirit of Eden als Social Media Fee und verbringt ihre freie Zeit am liebsten am Meer. In ihrer Wahlheimat Berlin füllt sie ihren Alltag mit Yoga, Stunden in Second Hand Shops und kreativem Kram und kann es nicht abwarten, sich auf das nächste Reiseabenteuer einzulassen.

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2 Kommentare

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Matthias 15. Januar 2023 - 15:28

Wow!
Tonia sollte Schriftstellerin werden.
Gefühle so absolut passend in Sätze zu kleiden ist Hammer.
Es ist Januar 2023, ich sitze daheim und kann es kaum erwarten wieder los zu fahren. Hab grad den Artikel gelesen und er erweckt genau das Lebensgefühl das ich auf Reisen und kürzeren Trips habe.
Viele Grüße an alle die das lesen und auch so empfinden und ein Dankeschön an dich Elisa und an Tonia

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Elisa | take an adVANture
Elisa | take an adVANture 17. Januar 2023 - 10:36

Lieber Matthias, ich habe Tonias Worte auch sehr genossen. :) Es freut mich, dass dich der Artikel so sehr inspiriert! Und ich wünsche dir jetzt schon eine tolle Reise – egal wann, egal wohin.

Lieben Gruß
Elisa

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