Nazaré und die Big Wave. Schon seit Tagen beobachtete ich den Forecast. Mit wachsender Vorfreude aktualisierte ich mehrmals täglich die Webseite, die mittlerweile als erstes erschien, wenn ich mein Smartphone entsperrte. Aus den vorhergesagten Big Waves bis 40 Fuß (ca. 12m) wurden bald schon Giant Waves bis 60 Fuß (ca. 18m) und schlussendlich sogar die erste Nazaré Big Wave Tow Surfing Challenge der Geschichte.
Zufall und Glück – meine persönliche Lieblingskombination – ließen mich genau zu diesem Zeitpunkt in Nazaré sein, etwa 120km nördlich von Lissabon. Ende Januar hatte ich meinen Camper bepackt, um den kompletten Februar durch den Süden von Portugal zu reisen. Nazaré lag dabei zwar nicht auf der direkten Route, der kleine Umweg war aber eine logische Konsequenz aus Neugier und innigem Wunsch der letzten Jahre: Einmal die Wellen von Nazaré mit meinen eigenen Augen sehen, die als die höchsten der ganzen Welt gelten.
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Nazaré Big Wave Tow Surfing Challenge.
Mein Wecker klingelte kurz vor 7.00 Uhr. Draußen war es noch stockfinster, aber ich wollte mir keine einzige dieser Wellen entgehen lassen. Bereits hier, außerhalb deren Sichtweite, hörte man die Wassermassen krachen, während der erste Kaffee im Camper langsam köchelte. Vor fast 10 Jahren stand ich das erste Mal auf dem Surfbrett, damals in Frankreich, es folgten Portugal, Marokko, die Kanaren, Mexiko und Italien. Frankreich wiederum bildete dann auch das vorläufige Ende, als ein Shorebreak mich unsanft erwischte und sich die Finne meines Boards oberhalb vom Knie in den Muskel bohrte. Während ich so daran denke, fahre ich mit Zeige- und Mittelfinger über die Vertiefung, die der Zusammenstoß im Oberschenkel hinterließ. Wirklich gut war ich sowieso nie, aber das ist auch egal, denn ganz alleine das Erlebte zählte. Herauszupaddeln in Richtung offenes Meer, der Horizont als sich auf- und absenkende Linie, und zu warten, auf diesen einen Moment. Diese Energie, die durch Brett und Körper fährt, wenn einen die Welle nach dem Anpaddeln packt und man zusammen gen Ufer rollt.
Ins hundertfache verstärkt muss dieses Gefühl die Big Wave Surfer:innen überkommen. Adrenalin, Endorphin, Dopamin, Serotonin … diverse Glücks- und Stresshormone im Anschlag, vor allem aber eine intensive Vorbereitung, lassen Körper und Geist Extremleistungen vollbringen.
Zu Fuß brauchte ich ca. 15 Minuten. Es hatten sich bereits ein- oder zweihundert Menschen auf den Klippen am Leuchtturm versammelt, später sollten es noch hunderte mehr werden. Die ersten Surfer:innen waren schon im Wasser. Was folgte war ein mehrstündiges Spektakel, ein Naturschauspiel in Perfektion. Was mich dabei besonders fasziniert hat, war diese Relation zwischen Mensch und Welle. Ein ungleiches Kräfteverhältnis, eine Übermacht nach der anderen, die mit jedem Set hereingerollt kam. Ich habe stundenlang dagesessen, vergessen zu essen und trinken, und diese unfassbare Stärke und Gewalt von Mutter Natur bewundert. Wie sich Welle für Welle meterhoch auftürmte und im Anschluss tosend zum Ufer donnerte. Über 13 Meter maß die höchste dieser enormen Walzen. Tausende Tonnen Wasser, deren Kraft sich hier bündelte, nicht greifbar und vor allen Dingen kaum vorhersehbar.
Neunzehn Surfer:innen, zehn Teams, zwei Gruppen, sechs Heats. So die Statistik. Über sechs Stunden lang konnte man konstant Wellenberge beobachten, die, im Verhältnis, von winzig kleinen Menschen auf schmalen Brettern gesurft wurden. Bei der Größe und Geschwindigkeit ist ein Anpaddeln nicht mehr möglich. Die Surfer:innen wurden mit Hilfe von einem Jet-Ski stehend in die sich brechenden Wellen hineingezogen (tow-in) und im Anschluss auch wieder herausgeholt.
Die Klippen und Wiesen rund um den roten Leuchtturm und dem Fort Sao Miguel Arcanjo füllten sich minütlich. Wurde ein besonders heftiger Wipe-Out beobachtet, ging ein Raunen durch die Menge, Applaus und Jubelpfiffe folgten bei einem erfolgreichen Ritt. Es dauerte nicht lange, bis sich durch die Gischt eine feine Salzkruste auf Körper und Kamera legte. Trotz mehrerer Jacken und Decken fror ich im Wind, dennoch wollte ich keinen einzigen Augenblick verpassen. Mehr als das Big Wave Surfing an sich war ich wieder einmal über diese Erde begeistert. Über die Natur, die unkontrollierbar Kräfte erschafft, in absoluter Ästhetik und im Einklang mit sich selbst. Wir könnten so viel von ihr lernen, würden wir einfach nur immer mal wieder ein paar Stunden innehalten und sie auf uns wirken lassen.
Warum entstehen vor Nazaré diese riesigen Wellen und wann sind sie am besten?
Zwischen Oktober und März, vor allem aber in den Wintermonaten von Dezember bis Februar ist Big Wave Saison in Nazaré. Dann türmen sich hier Wellenberge von auch mal 80 Fuß (ca. 24m) und mehr auf und brechen unweit vom Ufer des Praia do Norte entfernt. Der Grund für diese Extreme ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Ein knapp 230km langer Unterwasser-Canyon mit bis zu 5.000m Tiefe läuft spitz und beinahe rechtwinklig auf Nazaré zu und verringert dort abrupt die Wassertiefe – die Energie eines optimalen Swells aus dem offenen Meer bäumt sich zu meterhohen Wellen auf. Außerdem lenkt der Felsvorsprung, auf dem sich der Leuchtturm befindet, die Wasserströmung am Strand in Richtung Meer und vergrößert die Wellen zusätzlich.
Die Wellen an sich sind nicht neu und unter den lokalen Fischern als „Witwenmacher“ bekannt – die Sandbank, die Witwen macht. Erst 2011 surfte Garrett McNamara, einer der weltbesten Big Wave Surfer, hier eine über 23m hohe Welle und machte den Spot damit berühmt.
Nazaré selbst ist ein kleiner Ort mit irgendetwas um die 15.000 Einwohner, liegt mittig von Portugal an der Küste und lebt vom Fischfang und Tourismus. Es ist ein schönes Gefühl hier durch die Gassen zu laufen und sich einfach treiben zu lassen. Was vielleicht auch daran lag, dass es der erste Anlaufpunkt meiner Reise war, die mich den Winter teilweise in Portugal hat verbringen lassen.
Tipps für die große Welle.
Es ist und bleibt eins der jährlich anstehenden Ereignisse, fast schon einer Sehenswürdigkeit gleich, ein Mekka für alle, die das Surfen und vor allem das Meer lieben. Tatsächlich ist das Wellenreiten dort, das Beobachten der Haudegen und Grenzgänger, nur das i-Tüpfelchen, ein rein optisches Schmankerl für die Relation zwischen riesengroß und winzig klein.
Der verlinkte Forecast liefert euch Informationen über die kommenden Tage der jeweiligen Saison und war in der Zeit auch mein ständiger Begleiter. Heidi liefert auf meerdavon jede Menge Tipps für einen Ausflug zur Big Wave Zeit und auch Mandy von movin’n’groovin schreibt darüber auf ihrem Blog. Und auf Instagram kann man via Gigantes de Nazaré Stories, Bilder und Videos der Wellen in Echtzeit verfolgen.
Zum Beobachten eignet sich am besten der Bereich um und oberhalb vom Fort Sao Miguel Arcanjo. Packt euch Decke, warme Klamotten, Essen und Trinken ein und genießt die Aussicht, die auch unabhängig eines Events fantastisch ist. Während der Nebensaison und wenn kein Contest der WSL (World Surf League) ansteht, kann man mit dem Camper direkt am Nordstrand stehen (Achtung: Bitte nur mit gesundem Menschenverstand und alle Regeln des Freistehens beachten). Alternativ gibt es etwas oberhalb auf dem Weg dahin einen großen asphaltierten Parkplatz, der auch meine Anlaufstelle war. Zwei Campingplätze liegen in der Umgebung von Nazaré.
Mich haben via Instagram einige Fragen zu meiner Kamera erreicht, als ich die Bilder in die Stories hochgeladen habe. Alles über meine Fotoausrüstung für Roadtrips, Outdoor und Camping findet ihr in dem verlinkten Artikel.
3 Kommentare
Hast du ein Glück. Wir waren letztes Jahr fast zur gleichen Zeit dort und da war keine einzige Welle…tolle Bilder und weiterhin viel Spaß in Portugal!
Hallo Christian, ja, ich war total glücklich, dass es so geklappt hat. Ein paar Tage zuvor war es auch so flach, als wäre nie was gewesen und als würde auch nie was kommen. :) Hab vielen lieben Dank!
[…] selbst hatte an den Tagen, an denen ich da war, leider kein Glück. Auf dem Blog Take an Advanture meiner Kollegin Elisa kannst Du Bilder von den irren Wellen sehen. Trotzdem war mein Besuch sehr spannend, da sich im Leuchtturm eine kleine Ausstellung zur Big Wave […]