Der Uluru. Oder warum ich einen Felsen anstarre.

von Elisa | take an adVANture
Uluru

Uluru, Australien. Vor einigen Jahren war ich für mehrere Monate in Australien unterwegs. Die meiste Zeit auf der Straße. Und es war eine wunderbare Zeit, voller „ahhs“ und „ohhs“, voller Glücksgefühle. Mein vermeintliches Highlight habe ich mir dabei bis zum Schluss aufgehoben. Aber dann war es irgendwie nicht das, was ich erwartet hatte. Immer diese Erwartungen.

DER ULURU. DER AYERS ROCK.

Da sitze ich nun in der Abflughalle des Flughafens von Alice Springs und warte auf den Flieger, der mich vom wilden Herzen Australiens zurück nach Adelaide bringen soll. Wie immer bin ich zu früh dran, ein Laster, das eigentlich mit meiner sonst eher stark ausgeprägten Unpünktlichkeit schwer vereinbar ist. Also nutze ich einfach mal die Zeit, die letzten Tage und Wochen Revue passieren zulassen. Noch vor 5 Tagen war ich völlig unabhängig. Ich habe meine Zeit auf den unterschiedlichsten Straßen Australiens verbracht, in den entlegensten Gegenden übernachtet, habe mich in die Insel Tasmanien verliebt und mich von der Magie des Kontinents verzaubern lassen. Ich war frei. Ich musste nur mir selbst und meinen damaligen zwei Mitreisenden Rechenschaft ablegen. Wollten wir irgendwo länger bleiben, dann blieben wir. Wollten wir an einer anderen Stelle wieder schnellstmöglich weg, dann fuhren wir. Abseits der Touristenzentren und -ströme haben wir dieses atemberaubende Land entdeckt und uns nur nach Wegweisern und Stellplätzen gerichtet. Einzig die Tanknadel des Mietwagens war ein Fixpunkt, den wir öfter im Auge behalten mussten.

Roadtrip Australien

Was war das dann aber die letzten 5 Tage? Meine persönliche Reisehölle?

Ich wollte mir eigentlich einen Traum erfüllen. Einmal den Uluru mit eigenen Augen sehen. Um diesen Berg ranken sich die Mythen und Legenden der Ureinwohner Australiens. Ihre Geschichte ist faszinierend und traurig zu gleich. Faszinierend in ihrer Kultur und ursprünglichen Lebensform, traurig wegen ihrer Vergangenheit bis hinein in die Gegenwart. Denn seit der Besiedlung des Kontinents Ende des 18. Jahrhunderts haben die Aborigines mit Gewalt, Vorurteilen und Rassismus zu kämpfen. Erst im Jahr 2008 (!) wurde die Vergangenheit offiziell angesprochen und anerkannt. Der damals frisch gewählte Premierminister Kevin Rudd bat die Ureinwohner in einer Rede für das über 200 Jahre lang zugefügte Leid, für die Kindesentführungen, Massaker und Verfolgungen um Entschuldigung. Das erste offizielle „Sorry“ seitens der Regierung.

Uluru

Für die Aborigines ist der Uluru ein zentraler Bestandteil der Traumzeit. Die Traumzeit, eigentlich eine irreführende Bezeichnung, da sie nichts mit unserer Vorstellung von Wachen und Träumen zu tun hat, beschreibt die raum- und zeitlose Schöpfungsgeschichte der Ureinwohner bis in die Gegenwart und darüber hinaus. In ihr erklärt sich der Glaube der Aborigines. Sie beschreibt, wie alles begann. Wie Berge, Felsen, Flüsse, Himmel und alle Lebewesen bis hin zur kleinsten Ameise erschaffen wurden und wie alles Leben in Beziehung zueinander steht. Die Traumzeit ist das ungeschriebene Gesetz, nach dem die Aborigines leben. Alle Regeln für ihr soziales Zusammenleben leiten sich daraus ab. Die Ereignisse während der Schöpfungsgeschichte manifestieren sich nach ihrem Glauben in verschiedenen topographischen Fixpunkten wie Berge, Felsen oder Quellen. Wie eben zum Beispiel dem Uluru. In den Unregelmäßigkeiten seines Aussehens, in den Schluchten, Höhlen und Unebenheiten, spiegeln sich die Legenden und Ereignisse der Traumzeit wider. Jahrtausende alte Felsmalereien und noch immer stattfindende religiöse Zeremonien zeugen von seiner Bedeutung. Nur mithilfe der Geschichten der Traumzeit konnten sich die Aborigines ohne geologischem Hintergrundwissen die Lage inmitten der weiten, flachen und kargen Landschaft des Outbacks erklären. Dieses Naturschauspiel wollte ich unbedingt mit meinen eigenen Augen sehen.

Uluru

Das erste Mal seit meiner Einreise in Australien vor 4 Monaten entschied ich mich für eine geführte Tour. Der Weg war weit, ich hatte kein Auto mehr und ich war alleine. Genau für solche Fälle gibt es eine Vielzahl von Anbietern und so machte ich mich schon 2 Tage später auf den Weg in das Herz Australiens. Naja, ehrlich gesagt habe ich mich in so einem Backpackerladen belatschern lassen. Die faszinierende Kultur der Aborigines und die Mythen, die sich um den Uluru ranken, hatten mich aber bereits Jahre zuvor in ihren Bann gezogen. Ich wollte ihn sehen, ihn anfassen, die Atmosphäre in mich aufsaugen. Und so fieberte ich dem ersten Blick entgegen. Schon auf der Busfahrt in den Nationalpark hinein, habe ich mir buchstäblich den Hals dabei verrenkt, als ich nach dem rotschimmernden Hügel Ausschau hielt. Laut des Tourguides, der ab jetzt das Sagen hatte, würde er uns zum Sonnenuntergang eine besonders schöne und geheime Stelle zeigen, von der wir die Schönheit der Landschaft genießen konnten.

Uluru

Ich erwartete einen Moment voller Stille. Voller Magie und Inspiration. Stattdessen fand ich mich inmitten einer Vielzahl größerer und kleinerer Reisebusse wieder. Ich teilte also dieses einmalige Erlebnis mit rund 300 anderen Reisenden unterschiedlichster Nationalitäten. Und starrte dabei im ersten Moment auf die vor den größeren Bussen aufgebauten Buffets, auf die mit prickelndem Sekt gefüllten Gläser und die Appetithäppchen. Darauf erst einmal ein Schluck sonnengewärmtes Wasser aus meiner abgenutzten Plastikflasche. Während ich meinen knurrenden Magen ignorierte, ging die Sonne langsam unter und grüppchenweise schob sich die Touristenmasse in Richtung der unterschiedlichen Aussichtspunkte. Wenn das also die angeblich geheime Stelle war, dann sollte der Guide dringendst nach der undichten Stelle in seiner Informationskette suchen.

Uluru

Da stand ich jetzt also. Um dem Abfahrtsstau zu entgehen sollte unser Bus wieder der erste auf der Straße sein. Mir blieben noch genau 10 Minuten. Tja, und nun? Auf einmal, da war es nur ein Stein für mich. Ich starrte einen Felsen an. Inmitten der Weiten des Outbacks, 340km entfernt von Alice Springs, 15.000km entfernt von den Liebsten zu Hause. Ein Highlight, dem ich seit Jahren entgegenfieberte, ist zu einer Touristenattraktion verkommen. Zu meiner persönlichen Reisehölle. Zu hohe Erwartungen haben diesen Moment entzaubert. Wie war wohl das Gefühl 1936? Damals, als die ersten Touristen ihren Blick darauf werfen konnten? Noch ohne Wegenetz muss es ein Abenteuer gewesen sein, mit Strapazen verbunden, zum Berg zu gelangen. Jetzt bucht man je nach verfügbaren finanziellen Mitteln eine Tour mit oder ohne Appetithäppchen. War ich zu faul diese Tour auf eigene Faust zu bestreiten? Hatte ich Angst vor dem Alleinsein? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich mir das alles hier komplett anders vorgestellt hatte.

Die gleiche Situation, ein anderer Blickwinkel und ein paar Stunden später. Statt des tiefen Rots des Sonnenuntergangs betrachteten wir jetzt das leuchtende Orange des Sonnenaufgangs.

Uluru

Wetterbedingten natürlichen Umständen war es zu verdanken, dass der Aufstieg auf den Uluru am Morgen gesperrt war. Denn meine Argumente an den Tagen zuvor gegen eine Besteigung stießen auf wenig Gegenliebe. Grundsätzlich ist es zwar nicht verboten, aber die Anangu bitten darum, es nicht zu tun. Es ist ihre Heilige Stätte. Das sollte und muss respektiert werden. Einer kommerziellen Besteigung des Petersdoms im Vatikan, ausgestattet mit Trägertop, kurzer Zip-Hose, Wanderschuhen und Outdoorhütchen, dürfte ein Großteil der Menschheit auch nicht positiv gegenüberstehen. Hinzu kommt außerdem, dass der Aufstieg nicht ungefährlich ist. Um dem Uluru aber dennoch ganz nah kommen zu können, kann man sich auf den rund 11km langen Base Walk begeben. In ca. 2.5 Stunden kann man den Berg umrunden, ihn bestaunen und anfassen. Ganz alleine mit mir und meinen Gedanken war ich aber auch hier nie. Spätestens an den wichtigsten und schönsten Punkten sammelten sich die Menschen. Wie die Aborigines während ihrer Zeremonien. Wieder Schlange stehen. Ein unerklärliches Phänomen der Menschheit.

Uluru

Das Boarding geht los. Das nächste Highlight wartet in Adelaide auf mich. Mit dem legendären Indian Pacific, dem Fernzug, geht es nach Sydney. Knapp 1.700km, 24 Stunden. Erst vorbei an Flinders Ranges, dann Broken Hill, dann die Blue Mountains. Dieses Mal ohne Erwartungen.


Versteht mich nicht falsch: Der Uluru kann nichts dafür. Der Anblick war trotz allem faszinierend. Und die Geschichte der Aborigines begeistert mich immer noch. Ich glaube einfach, es war der Moment, an dem ich (wiedermal) gemerkt habe, dass geführte Touren absolut nichts für mich sind. Außerdem habe ich seit dem gelernt, dass das Reisen ohne Erwartungen oftmals das bessere Reisen ist.


Tipps für Roadtrips in Australien

• Roadtrippin‘ OZ #1: Tipps rund ums Auto mieten.

• Roadtrippin‘ OZ #2: Tipps rund ums Fahren.

• Roadtrippin‘ OZ #3: Meine Highlights.

Der Uluru für Selbstfahrer

• Entfernung: Von Alice Springs ca. 4 1/2 Stunden.

• Camping / Übernachten: Direkt im Park gibt es keine Übernachtungsmöglichkeiten. Außerhalb des Parks (ca. 10 Minuten mit dem Auto) befindet sich das Ayers Rock Resort, mit Campingplatz und Appartements.

• Eintritt: Der 3-Tages-Pass kostet $25.


Gab es auf euren Reisen auch mal einen Moment oder einen Ort, der an eure Erwartungen nicht herangekommen ist?

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6 Kommentare

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Martin 23. Dezember 2015 - 23:00

Ich verstehe was du meinst. Wenn man so hohe Erwartungen an etwas hat, einem vorher gesagt wird Geheimtipp ec und man dann merkt, dass das alles inzwischen nur noch Kommerz ist, verschwimmt das Ersehnte dahin…

Ich finde es toll, dass du die Bedeutung des Uluru anerkennst und Dinge wie eine Besteigung ablehnst! Ich denke solche Kulturgüter sollten auch so behandelt werden, immerhin ist dieser „Stein“ heilig!!!

Leider war ich noch nie in Australien, aber hoffe dies bald ändern zu können. Deine Beschreibungen machen gerade wieder Lust nach Flügen zu suchen :)

Liebe Grüße,
Martin

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Elisa | take an adVANture
Elisa | take an adVANture 24. Dezember 2015 - 12:35

Hi Martin,

danke dir für den schönen Kommentar. :)
Es war wirklich schade.
Ich habe gelesen, dass die Besteigung bald komplett verboten werden soll. Bei schlechten Wetterbedingungen ist es ja schon so.

Oh, und ich kann dir Australien nur empfehlen. Es gibt dort so wahnsinnig viel zu entdecken. Wenn es nur nicht so weit wäre. ;)

Lieben Gruß

Elisa

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Sabine 24. Dezember 2015 - 10:42

Oh, die Erwartungen, das würde viele Blogposts füllen, Elisa! Völlig überhöhte Erwartungen sind ja meist mit magisch-mystischen Orten verbunden. Eine große Enttäuschung war Stonehenge! Das liegt aber wahrscheinlich auch daran, daß mich die beeindruckenden, abgelegenen Steinkreise der Orkneyinseln oder der Äußeren Hebriden bereits völlig in ihren Bann gezogen hatten. LG, Sabine

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Elisa | take an adVANture
Elisa | take an adVANture 24. Dezember 2015 - 13:55

Ja, diese Erwartungen. Von Stonehenge habe ich auch schon öfter enttäuschte Geschichten gehört. Schwierig wird es auch, wenn sich die Highlights nahe an Ortschaften befinden. Dann geht die Magie irgendwie verloren.
Wobei ich finde, dass es nochmal ein anderes Erlebnis ist, wenn man auf eigene Faust loszieht. Ich fühle mich bei Gruppentouren immer arg unwohl.
LG

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Florian 13. Mai 2016 - 06:02

Mein „Ayers Rock“ war Machu Picchu. Ist ja bekannt, wieviel da los ist und wir haben in Cuzco lange überlegt ob wir überhaupt hin sollen.

Ich denke, wenn ich die ollen Ruinen mit 5.000 Touristen pro Tag nicht gesehen hätte, wäre ich mindestens genauso enttäuscht gewesen.

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Elisa | take an adVANture
Elisa | take an adVANture 13. Mai 2016 - 17:20

Das ist es halt immer. Die Erwartungen, die zu hoch sind. Und die Enttäuschung, wenn man dann trotzdem doch nicht dort gewesen ist. Es hätte ja schließlich auch ganz anders ausgehen können.
Ich hatte nochmal ein ähnliches Erlebnis bei den Pyramiden von Chichen Itza. Zu viele Leute und alles so steril. Trotzdem bin ich froh, dort gewesen zu sein. :)

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