Der Post-Travel-Blues und seine Nebenwirkungen.

von Elisa | take an adVANture
Straße in Jordanien

Post-Travel-Blues. Der Gedanke zu dem Artikel kam mir schon am letzten Montag im Mai. Damals saß ich in einem klimatisierten Auto, gemietet am Flughafen in Frankfurt, auf dem Weg Richtung Süden nach Hause. Auf meiner Haut befand sich eine klebrige Mischung aus Schweiß und Wüstenstaub und meine Haare waren vom Wind und der Sonne ausgeblichen und verfilzt. Auch wenn mein damaliger Hygienezustand eigentlich nichts zur Sache tut, stand er doch irgendwie sinnbildlich für die Abenteuer, die ich in den 3 Wochen zuvor erlebt habe.

Fahrerlager Allgaeu Orient Rallye im Wadi Rum

Post-Travel-Blues: Eine Musikform mit 12 Takten, eine Melodie aus 3 Akkorden und eine intensive Sehnsucht nach einer Reise, verbunden mit einem flauen Gefühl in der Magengegend.

Ich konnte meine Gedanken nicht richtig sortieren, war unendlich traurig und eine schwere Melancholie machte sich breit. Post-Travel-Blues, oder auch Post-Vacation-Blues, würde man jetzt wohl dazu sagen. Bevor ich aber damals darüber schreiben wollte, sollte noch etwas Zeit vergehen. Ich hatte nämlich die Hoffnung, dass der Schmerz nur kurz anhält und gleich nach ein paar Tagen wieder verschwindet. So wie sonst eigentlich nach jeder Reise. Denn normalerweise bin ich niemand, der der Vergangenheit nachtrauert, sondern immer froh darüber ist, es genau so erlebt haben zu dürfen.

Volvo 850 in Jordanien

Diesmal ist alles anders. Ich sitze vor dem Rechner, mittlerweile sind anstatt ein paar Tagen schon ein paar Wochen vergangen, und um meine Magengegend herum herrscht noch immer dieses flaue und fade Gefühl. Ich möchte zurück! Ich möchte wieder barfuß über Wiesen in der Türkei laufen oder durch den Wüstenstaub in Israel. Ich möchte mich wieder hinter das Steuer der Feuerwehr setzen und die Landschaft Jordaniens durch die große Frontscheibe betrachten, während der Wind durch die heruntergekurbelten Fenster meine Haare zerzaust. Ich möchte wieder ins Bett im hinteren Teil von dem alten Volvo 850 krabbeln, weil ich müde bin und schlafen möchte, während er am Steuer sitzt und über namenlose Straßen durch Rumänien fährt.

Magirus Deutz in Jordanien

Die Allgäu-Orient-Rallye ist vorbei. Das ist eine Tatsache, an der ich nichts ändern kann. Fast täglich schaue ich mir die Fotos an und kann nicht fassen, was wir alles erlebt haben. Noch immer schweifen meine Gedanken während diverser alltäglicher Situationen ab und vor meinem inneren Auge tauchen die verschiedensten Momente der Rallye auf. Ganz plötzlich, ohne Absicht und ohne Zusammenhang. Manchmal sind es ganz banale Dinge. Wie wir zum ersten Mal die Feuerschale auspackten und uns noch dick eingemummelt am Feuer wärmten. Oder wie wir an einem See standen und kurz die Füße in das rostbraune Wasser gehalten haben. Dann sind es aber wieder Gedanken, bei denen ich mich minutenlang in irgendwelchen Tagträumereien verliere. Vor allem dann, wenn es Erlebnissen waren, die ich wahrscheinlich so nie wieder erleben werde. Und davon gab es eine Vielzahl, das könnt ihr mir glauben.

Post Travel Blues

Zeit schien während der Rallye relativ. Wir hatten jegliches Gefühl für Raum, Ort, Himmelsrichtung oder Wochentag verloren. Dinge, die uns Zuhause Kopfzerbrechen bereitet hätten, waren einfach nur noch banal und unwichtig. Existenzielle Sachen wiederum gewannen wieder an Bedeutung. Eine warme Mahlzeit, ein sauberes Klo, eine Dusche und ein frisches Shirt machten uns zu den glücklichsten Menschen überhaupt.

Viele würden jetzt vielleicht sagen, dass das ganz normale Gefühle während und nach einem Urlaub sind. Das man da eben durch muss und erstmal einfach wieder im Alltag ankommen soll. Das sehe ich nicht so. Meine Reisen haben sowieso nichts mit Urlaub zu tun und einen klassischen Alltag gibt es bei mir zum Glück auch nicht. Denn wenn dem so wäre, würde ich wohl dauerhaft der Melancholie verfallen. Es ist zwar nicht so, dass ich nicht schon ähnliche Trips unternommen habe. Aber diesmal ist irgendwie alles anders.

Post-Travel-Blues

Die Rallye vereinte alles, was ich über alles liebe: Stundenlange Roadtrips in alten, großen Autos, bei offenem Fenster und der passenden Musik. Unsere Klamotten rochen nach Sonnenmilch, Lagerfeuer und Diesel. Auf den Füßen zeichnete sich der Schmutz der Straßen und die Umrisse der Flip Flops ab. Wir verbrachten den ganzen Tag draußen, schliefen in unseren Autos und sahen jeden Tag neue Landschaften. Unser Team bestand aus wunderbaren Menschen, mit denen man lange Unterhaltungen führen oder einfach nur gemeinsam schweigen und genießen konnte. Alles Dinge, die für mich den Himmel auf Erden bedeuten. Ich mag keine Städte oder Ansammlungen großer Menschenmenge. Ich mag aber die Natur, das Draußen sein und Frühstück an einer Bierbank zwischen einem Magirus Deutz, einem Peugeot Boxer und einem Volvo 850.

Post-Travel-Blues

Ich weiß nicht, wann sich der Post-Travel-Blues verabschieden wird, denn zur Zeit fröne ich noch immer jeden Tag der Melancholie. Meine Festplatte platzt vor lauter Fotos aus allen Nähten und mein Kopf quillt vor lauter Erinnerungen über. Und jeden Tag fallen mir neue Geschichten ein, die ich euch unbedingt noch erzählen muss.

Ich glaube, diesmal ist mir die Rückkehr besonders schwer gefallen, weil die Momente auf der Reise die waren, die ich in Zukunft gerne in jeder Minute genauso erleben würde. Weg von dem, was ich oft hier bei uns so vorfinde. Bis ich aber nicht nur körperlich, sondern auch geistig wieder im gut strukturierten und sauberen Deutschland angekommen bin, werde ich meine Gedanken noch in ein paar weitere Artikel verpacken. So lange, bis auch ich es endlich eingesehen haben, dass diese Reise vorbei ist. Und die nächste dann hoffentlich aber schon in den Startlöchern steht.


Alle bisher erschienenen Artikel über die Allgäu Orient Rallye:

• take an adVANture goes Orient – Allgäu Orient Rallye.

• Der Post-Travel-Blues und seine Nebenwirkungen.

• Tagebuch Allgäu-Orient-Rallye. Tag 1-4: Von Deutschland bis in die Türkei.

• Tagebuch Allgäu-Orient-Rallye. Tag 5-6: Mehrmals quer durch Istanbul.

• Tagebuch Allgäu-Orient-Rallye. Tag 7-14: Türkei – Ein Roadtrip von West nach Ost nach Süd.

• Tagebuch Allgäu-Orient-Rallye. Tag 15-18: Kreuz und quer durch Israel.

• Tagebuch Allgäu-Orient-Rallye. Tag 19-23: Auf Abwegen in Jordanien.

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8 Kommentare

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Michel 29. Juni 2017 - 19:34

Sehr schön geschrieben, das schlimme ist, ich weiß genau was du meinst!

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Elisa | take an adVANture
Elisa | take an adVANture 30. Juni 2017 - 20:31

Hallo Michel,

danke dir! Und schön, dass ich weiß, das es nicht nur mir nach einer Reise so geht. :)

LG

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Mandy // Movin'n'Groovin 30. Juni 2017 - 20:02

Wunderschön geschrieben, Elisa! Ich kann das so gut verstehen, dass du nach dieser Tour den Erinnerungen noch lange nachhängst. Ich habe euch ja nur digital verfolgt und war total begeistert! Kann mir ungefähr vorstellen, wie sich das „in echt“ angefühlt haben muss.
Ich bin gespannt auf weitere Geschichten! Und auf ein baldiges Wiedersehen! :-)
Liebe Grüße aus España!

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Elisa | take an adVANture
Elisa | take an adVANture 30. Juni 2017 - 20:32

Liebe Mandy,

hab vielen Dank! <3

Ich freue mich auch schon, dass wir uns bald wiedersehen. :)

Ganz lieben Gruß

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Susanne 20. Oktober 2017 - 09:57

Oooooohhh – ich weiß GENAU, was Du meinst — vor 3 Wochen war ich noch auf der Ziellinien-Party in Dushanbe…. inzwischen bin ich zwar körperlich wieder im Alltag, aber meine Seele hängt immer noch irgendwo auf der Hochebene Tadschikistans….
Lass uns unsere Bilder auf ewig feiern!
Auf dass ein Stück der Seele immer etwas woanders sein darf…

Liebe Grüße nochmal,
Susanne

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Elisa | take an adVANture
Elisa | take an adVANture 13. November 2017 - 20:27

<3 - mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen!
Auf die Abenteuer, die uns ewig begleiten und auf die Reisen und Momente, die noch folgen werden.

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Valeria Pixner 20. Februar 2018 - 19:29

Wunderschöner Artikel! Ich weiß genau, was du meinst. Und fühle mich nach unserer Weltreise zur Zeit genauso „Post Travel Blues“-mäßig. Ach… Aber die nächste Reise wird schon geplant! :) lg Valeria

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Elisa | take an adVANture
Elisa | take an adVANture 21. Februar 2018 - 19:46

Hallo Valeria,

das beste Mittel gegen den Post-Travel-Blues ist doch noch immer das Planen der nächsten Reise. :D

LG

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